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  • Dr. Heide-Margaret Esen-Baur

Aufstellungsbeschluß Bahnhof Baufeld II


"Dieser Aufstellungsbeschlusswürde heute hier nicht diskutiert werden, wenn die KfB im ASU mit all den anderen Parteien gestimmt hätte. Das heißt, dieser weitreichende Beschluss wäre ohne Debatte in der Stadtverordnetenversammlung gefaßt worden!

Bei diesem Aufstellungsbeschluss handelt es sich zweifellos um den Einstieg in ein folgenschweres Großprojekt, das in seinen Dimensionen und damit auch in seinen Auswirkungen auf die Bevölkerung seinesgleichen sucht in der neueren Geschichte Kronbergs.

Dieses Großprojekt birgt mindestens fünf Risiken:

  • städtebauliche

  • verkehrstechnische

  • architektonische

  • ökonomische und nicht zuletzt auch

  • klimatische Risiken.

Bevor eine Kommune ein solches Projekt in Angriff nimmt, wäre es meines Erachtens aufgrund dieser Risiken angemessen, diese Risiken im Detail zu benennen und sie der Bevölkerung und den Mandatsträgern zunächst umfänglich darzulegen. Ohne die Bevölkerung mitzunehmen, ist ein solches Großprojekt zum Scheitern verdammt.

Als erste angemessene Vorgehensweise bietet sich eine Bürgerversammlung an. Eine Bürgerversammlung erst nach Einstieg in das Verfahren anzusetzen, ist fahrlässig, zumal mit der heutigen Vorlage beschlossen werden soll, das Vorhaben im beschleunigten Verfahren durchzuziehen und den Magistrat zu beauftragen, zügig vorzugehen.

Auch wenn es theoretisch im weiteren Verlauf des Verfahrens vorgesehen ist, das Gespräch mit den Bürgern zu suchen, so ist es gegen diesen Hintergrund gesehen praktisch sehr schwer, den angestoßenen Prozeß später einmal wesentlich zu ändern oder gar zu beenden, denn mit dem Aufstellungsbeschluss entfaltet sich für das Projekt eine Eigendynamik, die schwer zu kontrollieren ist. Viel Geld und Mühe wird nach dem Beschluss in das Verfahren gesteckt, allesamt von denjeningen, die das Projekt verwirklicht sehen wollen. Ein solches Verfahren zu bremsen, ist unrealistisch. Das haben wir u. a. bei der Bebauung Berliner Platz alle hautnah erlebt.

Jetzt möchte ich mich den fünf Risiken zuwenden:

1. Städtebaulich handelt es sich bei 'Bahnhofsquartier Baufeld II' um ein höchst sensibles Gebiet, Entrée zur Stadt, das eng mit dem Charakter der Stadt als einer Stadt im Grünen verbunden ist.

Was immer hier, an diesem höchst sensiblen Ort geschieht, geht jeden Kronberger etwas an.

Hier nun sollen die bestehenden und bestens angenommenen und auch benötigten Parkplätze verschwinden und einem Komplex von drei mächtigen Gebäuden Platz machen: Hotel, Konzertsaal und Verwaltungsgebäude. Die hier vorhandene Begrünung, der Sichtbezug zur Burg und zum Park wird für den Ankommenden, sei er nun Bürger oder Besucher, der neuen Bebauung geopfert.

Der uns vorliegende Siegerentwurf des Architekturbüros Staab ist den Bürgern zwei Wochen lang zugänglich gewesen, ohne dass er in einer öffentlichen Bürgerversammlung mit den Bürgern diskutiert wurde. Zu erfahren ist jetzt schon, dass dieser Entwurf stark überarbeitet werden muss und dass dieser Entwurf für die Vorhabenträger lediglich die Verbindlichkeit einer Empfehlung hat. Was zum Schluss dabei herauskommt, steht also noch lange nicht fest.

2. Verkehrstechnische Fakten sind bisher nicht vorgelegt worden. Es heißt zwar, es gäbe aus früheren Zeiten (2002) ein Verkehrsgutachten für diesen Bereich, aber trotz aller Bemühungen ist es mir nicht gelungen, Einblick in dieses Gutachten zu nehmen. Es ist mir sozusagen verwehrt worden. Interessant in diesem Zusammenhang aber ist die Tatsdache, daß die Stadt dieses Verkehrsgutachten damals auf eigene Rechnung hat erstellen lassen. Die Stadt aber zu dem jetzigen Zeitpunkt nicht bereit ist, Geld in eine neues Gutachten zu stecken. Man wolle dies im Rahmen der weiteren Planung in Auftrag geben und versuchen, einen Teil des Geldes von den Vorhabenträgern einzufordern.

In diesem Zusammenhang sind Erkenntnisse zu den für diese drei Bauten benötigten Stellplätze wichtig. Legt man die städtische Stellplatzsatzung den angestrebten drei Gebäuden zugrunde, so weichen die Vorgaben der Verwaltung an die Architekten davon stark ab. Das heißt, hier darf gebaut werden, ohne die erforderlichen Stellplätze vorzuhalten.

Konkrete, belastbare Informationen zu dem zukünftig dort fließenden und ruhenden Verkehr liegen zur Zeit nicht vor. Welche Auswirkungen, auch finanzieller Natur, die Verlegung der Park- und Ride- Plätze nach Kronberg-Süd haben wird, wissen wir nicht.

3. Architektonisch wird jeder Bau natürlich immer ganz unterschiedlich bewertet. Einmal als Geschmacksfrage, zum anderen als Massenfrage. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass der Gewinner des Wettbewerbs, das Berliner Büro Staab, von einer enormen Baumasse, die an diesem Ort untergebracht werden mußte, spricht. Es ist schon bezeichnend, wenn ein Architekt eine solche Feststellung trifft.

4. Ökonomisch gesehen, ist es zwingend erforderlich, ein städtebaulich so bedeutendes Projekt auf seine Wirtschaftlichkeit hin zu betrachten. Was das Hotel betrifft, so liegt uns ja ein vor mehreren Jahren erstelltes Gutachten vor, das ein Hotel an dieser Stelle und in dieser Größe bewertet. Der Tenor des Gutachtens ist bemerkenswert zurückhaltend.

Für die anderen beiden Gebäude liegen uns keinerlei Machbarkeitsstudien vor.

Am 13. Juli, also vor vier Tagen, hat uns folgende Antwort auf eine diesbezügliche Frage an die Kronberg Academy erreicht:

"Der Kammermusiksaal und das Studien und Verwaltungszentrum ist ein privates Bauvorhaben der Kronberg Academy Stiftung. Die Erstellung soll durch Zuwendungen finanziert werden, wobei mit dem Bau nicht begonnen wird bevor die Gelder zusammen sind. Die Kosten des Betriebs können durch die Kronberg Academy Stiftung gedeckt werden. Vor allem durch Kosteneinsparungn (Miete, Raumtechnik, Umbaukosten etc.) und die Überlassung an zu kostendeckenden Gebühren geeigneter Komplimentärveranstaltungen."

Wenn argumentiert wird, dass die Erstellung des Kammermusiksaales ein privates Bauvorhaben sei, dann mag das rechtlich gesehen ja zutreffen. Aber wie schon anfangs erwähnt, dieser für Kronberger Verhältnisse riesige Bau an dieser sensiblen Stelle ist ein städtebauliches Thema, das uns alle betrifft. Es sollte uns nicht als ein privates Bauprojekt vorgelegt werden. Deshalb ist es unabdingbar, dass der Nachweis für seine Wirtschaftlichkeit auf Dauer erbracht wird. Denn, sollten die Geldgeber in die Insolvenz gehen, verbliebe hier an exponierter Stelle ein überdimensionierter leerstehender Bau, der dem Stadtbild mit Sicherheit nicht zuträglich ist. Es muss also gesichert sein, und eine Machbarkeitsstudie muss vorgelegt werden, aus der hervorgeht, dass der Bau erstellt werden und auch auf Dauer betrieben werden kann.

Ich verweise auf Baden-Baden. Auch dort wurde ein Konzerthaus geplant und gebaut von privaten Geldgebern. Es stellte sich dann aber heraus, dass die Kosten so hoch schnellten, dass sowohl die Stadt als auch das Land Steuergelder in das Projekt stecken mussten und immer noch müssen.

Einen solchen Verlauf kann sich die Stadt Kronberg nicht leisten und um einem solch möglichen Ernstfall zu entgehen, ist eine Machbeitkeitsstudie unbedingt notwendig.

Im übrigen, scheiterte der Versuch der Academy im Jahre 2002 u.a. daran, dass die von der Stadtverwaltung geforderte Machbarkeitsstudie, die Herr Raymond Fink erarbeiten sollte, nicht vorgelegt wurde. Damals, 2002, machte die Stadtverwaltung den Einstieg in das Verfahren noch von einer Machbarkeitsstudie abhängig. Heute, 12 Jahre später, scheint ihr eine solche Studie nicht mehr wichtig.

Ein weiterer Gesichtpunkt, der bei der ökonomischen Betrachtung berücksichtigt werden sollte, ist das Defizit der Kronberger Stadthalle, das derzeit bei gut 200.000 Euro/a liegt. Mit Wegfall der Konzerte der Academy und im Konkurrenzkampf mit dem Kammermusiksaal wird das städtische Defizit mit Sicherheit steigen.

5. Und schließlich möchte ich noch auf das klimatische Risiko eingehen. Mit der fortschreitenden heftigen Bebauung, die der Rahmenplan vorsieht, soll hier ein städtisches Quartier entstehen, das die bestehenden Grünflächen auf einzelne Bäume und/oder Blumenköbel reduziert.

Über den Stadtpark hinweg erstreckt sich eine Kalt- und Frischluftschneise, die durch diese Bauten voll ausgebremst wird. Das Grün der Schillergärten geht verloren. Der Verkehr erhöht sich exponential.

Es wäre notwendig, vor Einstieg in diese heftige Bebauung ein Klimagutachten zu erstellen. Interessant ist, dass andere Städte, die vergleichbare Projekte angehen, wie beispielweise die Stadt Frankfurt, bei B-Plan Aufstellungen immer erst die Klimastudie anschauen. Mit diesem Thema hat sich die Stadtverwaltung bisher überhaupt noch nicht auseinandergesetzt.

Es ließe sich viel mehr über die mit diesem Aufstellungbeschluß verbundenen Risiken bemerken. Ich verweise Sie auf die Presse, in der sich viele Bürger ausführlich mit den Risiken dieser Bebauung auseinandergesetzt haben.

Es ist festzustellen, dass alle fünf Risiken bisher nur kusorisch oder gar nicht diskutiert worden sind. Weder mit der Öffentlichkeit noch mit den Mandatsträgern.

Was die Verwaltung heute den Mandatsträgern zumutet, nämlich einem Aufstellungsbeschluss zuzustimmen auf der Basis so vieler fehlender Informationen, ist unverantwortlich.

Beim besten Willen – und ich schätze die Arbeit der Kronberg Academy sehr - kann

ich in Verantwortung gegenüber den Kronberger Bürgern nicht ohne Wissen und Abwägung aller Risiken dem Aufstellungsbeschluss heute zustimmen.

Und ich appeliere an Sie, liebe Kolleginnnen und Kollegen, auch eine umfängliche Risikoabwägung als Grundlage Ihrer Zustimmung bzw. Ihrer Ablehnung zu machen.

Ich bitte darum, dass der Magistrat diesen Antrag heute zurückzieht und die notwendigen Fakten für eine ordentliche Risikoabwägung den Stadtverordneten vorlegt."

Dr. Heide-Margaret Esen-Baur in der Stadtverordneten-Versammlung

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